Ganz großartiger Artikel bzw wohl eher Buch über Evangelikalismus im Vergleich mit Fundamentalismus in den USA und hier. Ist sehr nützlich, wenn man seine eigene Position spiegeln will, wenn man sein Vorverständnis erkennen will und eine eigene Position sucht. Er ist von "außen" geschrieben, wahrscheinlich aus dem rechten Flügel der liberalen Christen oder so. (also die die noch am ehesten Verständnis für Evangelikale haben)
Gerade wenn man dekonstruktionistisch drauf ist, braucht man sowas mal.
Ich hätte schon mindestens 4 Sachen zitieren können, der Artikel gibt einfach einen Haufen Anregungen für verschiedenste Sachegebiete, allein das Vorwort ist der Burner!
Noch was: da wir gerade beim Dekonstruktionismus sind, also beim Hinterfragen. Ich denke ich habe eine Grenze für das Hinterfragen erkannt, ein Fundament. Und das ist nicht unbedingt die Bibel (bin mir nicht ganz sicher) auf jedenfall setzt der Apostel Paulus diese Grenze woanders:
"Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten." 1.Kor.2:2. (1. Kor. 1 und 2 sind wieder so Stellen wo es in mir kribbelt, wo ich einfach weiß: die Stelle hat extreme Relevanz für die Kirche heute) .
Also das Fundament ist die Biographie des Christuses und vor allem die Lehre vom Kreuz, wie sie in der Bibel entfaltet wird. Das bleibt unantastbar bei allen Zweifeln und Fragen. Alles andere wie die evangelikale Moral, die Ansichten über Erweckung, die Ansicht über Bekehrung, kann und darf (und muss?) man immer mal wieder zur Seite schieben um zu prüfen inwieweit sie wirklich biblisch sind. Das ist dieser Semper Reformanda Apsekt der Reformation (also die Aufforderung, die Kirche einen ständigen Reformations- und Prüfungsprozess zu unterziehen).
Wozu das Ganze?
Der Artikel oben drückt es so aus:
"
Was am theologischen Fundamentalismus auffällt, sind seine dogmatischen Zuspitzungen und einseitigen Gewichtungen, sei es zum Thema Abtreibung, Homosexualität oder Endzeit. Diese Dogmatismen gehen auf ihre eigene Art manchmal bis oft über den legitimen Interpretationsspielraum der Bibel hinaus. Es ist also nicht unbedingt falsch zu sagen, dass der Fundamentalismus im Begriff ist, sein eigenes Fundament zu vernachlässigen. Die Eigendynamik des Fundamentalismus bewirkt oft, dass der Fundamentalismus wichtiger ist, als das, was eigentlich gegenüber den modernen und postmodernen Herausforderungen bewahrt werden soll: der Glaube an Jesus Christus und die Bibel als das Glaubensfundament schlechthin. Wir sehen daraus, dass die bibelorientierten, erweckten Christen, oder wie immer man sie nennen möchte, gleich in welcher Konfession oder Denomination oder ob sie überhaupt in einer zuhause sind, sich in Zukunft nicht nur von der theologischen Linken, sondern auch von der theologischen Rechten und ihrer glaubenskulturellen Bibelkritik abzugrenzen haben. Andernfalls könnte der reformatorische Grundsatz sola scriptura (alleine die Schrift) getrübt oder sogar verschüttet werden.."
Hinterfragen um zur Essenz zu kommen. Das ist die Neo-Orthodoxie, die ich mir fürs Christentum wünsche. Wahrscheinlich wird man aber die Offenheit dafür eher in Emerging Church Kreisen finden.