Freitag, November 26, 2004

Evangelikalismus und Dekonstruktionismus

Ganz großartiger Artikel bzw wohl eher Buch über Evangelikalismus im Vergleich mit Fundamentalismus in den USA und hier. Ist sehr nützlich, wenn man seine eigene Position spiegeln will, wenn man sein Vorverständnis erkennen will und eine eigene Position sucht. Er ist von "außen" geschrieben, wahrscheinlich aus dem rechten Flügel der liberalen Christen oder so. (also die die noch am ehesten Verständnis für Evangelikale haben)
Gerade wenn man dekonstruktionistisch drauf ist, braucht man sowas mal.
Ich hätte schon mindestens 4 Sachen zitieren können, der Artikel gibt einfach einen Haufen Anregungen für verschiedenste Sachegebiete, allein das Vorwort ist der Burner!

Noch was: da wir gerade beim Dekonstruktionismus sind, also beim Hinterfragen. Ich denke ich habe eine Grenze für das Hinterfragen erkannt, ein Fundament. Und das ist nicht unbedingt die Bibel (bin mir nicht ganz sicher) auf jedenfall setzt der Apostel Paulus diese Grenze woanders:
"Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten." 1.Kor.2:2. (1. Kor. 1 und 2 sind wieder so Stellen wo es in mir kribbelt, wo ich einfach weiß: die Stelle hat extreme Relevanz für die Kirche heute) .
Also das Fundament ist die Biographie des Christuses und vor allem die Lehre vom Kreuz, wie sie in der Bibel entfaltet wird. Das bleibt unantastbar bei allen Zweifeln und Fragen. Alles andere wie die evangelikale Moral, die Ansichten über Erweckung, die Ansicht über Bekehrung, kann und darf (und muss?) man immer mal wieder zur Seite schieben um zu prüfen inwieweit sie wirklich biblisch sind. Das ist dieser Semper Reformanda Apsekt der Reformation (also die Aufforderung, die Kirche einen ständigen Reformations- und Prüfungsprozess zu unterziehen).
Wozu das Ganze?
Der Artikel oben drückt es so aus:

"Was am theologischen Fundamentalismus auffällt, sind seine dogmatischen Zuspitzungen und einseitigen Gewichtungen, sei es zum Thema Abtreibung, Homosexualität oder Endzeit. Diese Dogmatismen gehen auf ihre eigene Art manchmal bis oft über den legitimen Interpretationsspielraum der Bibel hinaus. Es ist also nicht unbedingt falsch zu sagen, dass der Fundamentalismus im Begriff ist, sein eigenes Fundament zu vernachlässigen. Die Eigendynamik des Fundamentalismus bewirkt oft, dass der Fundamentalismus wichtiger ist, als das, was eigentlich gegenüber den modernen und postmodernen Herausforderungen bewahrt werden soll: der Glaube an Jesus Christus und die Bibel als das Glaubensfundament schlechthin. Wir sehen daraus, dass die bibelorientierten, erweckten Christen, oder wie immer man sie nennen möchte, gleich in welcher Konfession oder Denomination oder ob sie überhaupt in einer zuhause sind, sich in Zukunft nicht nur von der theologischen Linken, sondern auch von der theologischen Rechten und ihrer glaubenskulturellen Bibelkritik abzugrenzen haben. Andernfalls könnte der reformatorische Grundsatz sola scriptura (alleine die Schrift) getrübt oder sogar verschüttet werden.."

Hinterfragen um zur Essenz zu kommen. Das ist die Neo-Orthodoxie, die ich mir fürs Christentum wünsche. Wahrscheinlich wird man aber die Offenheit dafür eher in Emerging Church Kreisen finden.

2 Comments:

At 11/26/2004 9:19 PM, Blogger Josha Eisenhut said...

Hey Arne,

cooler Post. ich denke immer wieder über Bibelfundamentalismus nach, bin in Kindheit und Jugend sehr davon geprägt worden. Ich halte es für sehr bedenklich, dass die Bibel als "Handbuch" für die gesamten Aspekte des Lebens benutzt wird. Sehr kritisch bin ich vor allem, wenn die Bibel als "Therapeutisches Handbuch" benutzt und propagiert wird. ich denke die Bibel liefert Werte, die das gesamte Leben betrifft, aber sie deckt nicht alle Aspekte im Sinne einer Handlungsanleitung ab.
Insdofern heißt für mich "solae scripta" - nemmt die Bibel als das ernst, was sie ist !!!

 
At 11/28/2004 4:47 PM, Blogger Arne Bachmann said...

Hey Josha,
(btw: die Email, die du neulich gekriegt hast, war von mir; ich glaube meiner Emailaddresse sieht man das gar nicht an)

Also ich denke das das mit den Abgrenzen in zwei Richtungen sehr wichtig ist. Das ist auch das, was ich seit je her auch versuche (das kann einen den Ruf einbringen, man sei ständig in der Opposition).
Auf der einen Seite muss man sich von sonem engmaschigen Netz aus Regeln abgrenzen.
Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Kasuistik
Also immer mehr Regeln und Gebote, ala Petrus: "muss ich ihm 7 mal verzeihen". Kettling sagt, solche Fragen sind da um eine Grenze zu ziehen, bis wohin man gebunden ist. Also 7 mal verzeihen um beim 8. Mal zuzuschlagen.
Dieses Denken ist glaube in der Brüdergemeindefraktion sehr vertreten. ("wo steht in der Bibel, das man das darf?" - komische Frage eigentlich!).
Aber du scheinst ja noch etwas anderes zu meinen. Hast du da negative Erfahrungen gemacht? Meinst du dieses Konzept von Jay E. Adams, der "Seelsorge mit der Bibel" wo wirklich nur Bibel und keine Psychologie eingesetzt wird? Das ist oft sehr konfrontativ anstatt dialogisch.
Ich denke, das hier das Problem nicht die Bibel ist sondern ihr autoritärer Gebrauch.

Auf der anderen Seite muss sich die EC überlegen, wie sie sich davon abgrenzt ins Esoterische abzurutschen.
Also inwieweit man die Bibel predigt, inwieweit man auch so eine Art Katechismus hat, also neue Leute mit den wichtigen Fakten (zB wer bin ich in Christus, Gnade, etc.) bekannt macht. Denn wie Brian Mc Laren sagt, das Christentum darf nicht ins rein konsumeristische abrutschen. Die Leute heute sehnen sich auch nach einer neuen Tiefe und Schwere, anstatt einer betonten multimedialen Leichtigkeit mit ganz viel Humor, ganz viel Effekten aber ohne Substanz.
Nochwas zur Bibel: Die Frage der Irrtumslosigkeit ist nicht mehr die Frage heute, eher die Frage nach der Aothorität der Bibel. Ich denke schon, das die Bibel ein überzeitliches Korrektiv ist, das Aussagen hat, die besonders in unsere Epoche passen und solche die in unserer Zeit besonders provozierend sind. Beide sind wichtig.

 

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