Sonntag, Oktober 31, 2004

christliche Spiritualität

Gerade hab ich wieder ein wenig in Wikipedia rumgestöbert. Ich muss schon sagen, dass macht sehr viel Spass und ich lerne ein Vielfaches von dem, was ich in der Schule lernen würde. (mal btw: ist es nicht denkbar, dass die Kritik, die die EC an Pastoren übt, genausogut auf Lehrer zutrifft?)
Naja jedenfalls bin ich über einen Satz des christlichen Theologen Friedrich Schleiermacher gestolpert:
"Anschauung ohne Gefühl ist nichts und kann weder den rechten Ursprung noch die rechte Kraft haben, Gefühl ohne Anschauung ist auch nichts: beide sind nur dann und deswegen etwas, wenn und weil sie ursprünglich Eins und ungetrennt sind."
Anschaung nehm ich mal als theologische Betrachtung, als Nachsinnen über dem Wort Gottes, von mir aus auch "meditieren". Jedenfalls denke ich, dass diese Aussage enorme Bedeutung dafür hat, was Anbetung ist. John Piper drückte es so aus, dass Anbetung nicht bedeutet, seinen Kopf zu leeren und dann auf eine "Berührung Gottes" wartet, vergleichbar mit Drogen nehmen, Ekstase oder esoterischer Spiritualität sondern seinen Kopf zu füllen. Ich habe den Eindruck, dass das leider vielen nicht bewusst ist. Das würde Bedeuten, dass Verkündigung eine spirituelle Komponente kriegt, ja selbst Anbetung ist und dass Anbetung mit Inhalt gefüllt werden muss. Wenn es heißt der Friede Gottes sei höher als alle Vernunft, heißt es ja nicht, er müsse an der Vernunft vorbeigeschleust werden, sondern dass er alle alle Verstandeskraft einschließt und diese dann übersteigt. (das heißt dann zum Beispiel, dass wenn man Paulus Theologie verstandesgemäß nachvollziehen kann, das noch kein geistliches Erlebnis garantiert). Das alles zeigt sich zum Beispiel, dass auf Paulus Darlegung des Evangeliums in Römer 1-11 (eigentlich doch trokene Materie?) plötzlich ein pathetisch-überschwänglicher spontaner Lobpreis in Römer 11:33-36 folgt. Ich glaube, dass nicht immer 11 Kapitel vollgestopft mit Substanz notwendig sind um in spontanen Lobpreis zu enden. Oft sind es ja die halbbewussten kurzen Gedankenfetzen über die Nähe Gottes oder der Sehnsucht, die man versucht auszudrücken, die der Heilige Geist benutzt, um uns zu berühren. Ich frage mich, inwieweit denn die Vorstellungskraft ein legitimes Mittel ist, wo die Grenze zum Wunschdenken ist.
Auf jedenfall muss sich wenn man diese These animmt, einiges an der Praxis des Lobpreisen ändern. Vielleicht hatte Paul Gerhardt mit seinen bedeutungsschwangeren Bibelauslegung-Liedern gar nicht so Unrecht.