Mittwoch, Januar 05, 2005

exploring the evangelical mind.

Mir ist seit längeren bewußt geworden, dass Leute aus einem anderen Hintergrund einige evangelikale Hirnwindungen gar nicht so recht nachvollziehen können. Ohne das man sie erklärt natürlich. Das ist deshalb schwierig, weil die betreffenden Personen, diese Gedanken und Gefühle für selbstverständlich halten und davon ausgehen, jeder Christ würde das teilen. Dem ist natürlich nicht so.
Deswegen möcht ich ein großes Thema im evangelikalen Kopf- besser: Herz- beschreiben nämlich:
der Angst vor Irrlehre.

Man muss sich bewusst machen, dass die meisten Evangelikalen eine latente Vorsicht oder sogar Abwehrreaktion haben, wenn sie Lehren oder Meinungen hören, die neu oder ungewohnt formuliert sind, so ein komisches Gefühl im Bauch. Denn man hat Angst davor verfürt zu werden. Angst vor Ketzerei. Das entspringt aus einer Haltung der Demut, nämlich das man sich selbst für verführbar hält und einem Mißtrauen, dass man nämlcih andere für potenzielle Verführer hällt.
Das hat natürlich verschiedene Härtegrade, bei einigen ist es wirklich nur latent im Hinterkopf, andere sind richtiggehend paranoid. Hinter jeder Ecke steckt die katholische Weltverschwörung, die eines Tages in der Hure Babylon Gipfeln wird. Diese Gruppen sind die Separatisten, die sich oft bis zur Karrikatur hin wieder spalten. Aus den Brüdergemeinden werden die freien und die geschlossenen Brüder, nciht zu vergessen die blockfreien Brüder!
Diese verbreiten auch gerne Warnungen vor jeder Art von Ökumene aus obengenannten Gründen. Da herrscht null Toleranz für abweichende Meinungen vor. Übrigens sehen sich solche Gemeinden immer gerne, als "die letzten, die sich der Herr behalten hat, die ihre Knie nicht vor den Baalen beugen.". Aber ich komm schon wieder ins Satireschreiben rein....
Aber -Gott bewahre- nicht jeder Evangelikale treibt das so weit. Trotzdem kann man sich mit dem im Hinterkopf vieles erklären.
Irgendwie ist die Haltung ja berechtigt: im Neuen Testament ist sehr oft davon die Rede, man soll auf seine Lehre achten und ganz sicher haben auch neue Offenbahrungen die Tendenz Blödsinn zu sein. Nur man muss genau trennen zwischen Außenbezirken und dem Kern der biblischen Botschaft, dem Evangelium: hier sollte man wirklich keine Abweichung tolerieren (deswegen bin ich ein wenig beunruhigt darüber, dass jetzt einige meinen an der Lehre der Versöhnung rumschrauben zu müssen), denn hier kann Christentum zur Performance Religion werden.
Solche Leute nennen sich oft "wachsam" und "nüchtern" wobei das Gegenteil der Fall ist: sie sind emotional aufgescheucht und deshalb sehen sie auch nicht, dass möglicherweise ihre Haltung fehlerhaft sein kann und ihr Verständnis mangelhaft ist. Außerdem sind viele nicht so kritisch, wie sie behaupten: viele lesen sogenannte kritische Bücher (solche, die vor irgendwas warnen und manchmal auf sehr häßliche Weise polemisch sein können) und übernehmen die "kritische" Meinung des Autors ohne diese selber zu überprüfen ("der wird schon wissen, was er schreibt. Außerdem zititert er die Bibel.")

Ich hab dieses Phänomen jetzt fast nur negativ beschrieben, aber das mein ich gar nicht. Ich will nur klar machen: ein Evangelikaler (jedenfalls einer, von dem Schlag, den ich kennengelernt habe und beschreibe) kann nicht pragmatisch sein. Er kann nicht sagen: "Oh, Hauptsache es werden Leute zu Christen.". Weil er eben die theologische Substanz höher bewertet als die äußere Erscheinung.

Zuletzt will ich noch um Verständnis werben auch für mich: denn ich kann nicht aufhören, eigene und fremde Meinungen kritisch zu hinterfragen. Ein Respekt vor Gott führt dazu, dass ich nicht "mal einfach den theologischen Aspekt übergehen kann".